Statement Dr. Elisa-Maria Hiemer (Herder-Institut): „Wissenschaft braucht zuverlässige Arbeitsbedingungen. Davon profitieren alle!“
„Ich sehe die Befristungs- und Beschäftigungspraxis im deutschen Hochschulsystem sehr kritisch: Schon in meiner Zeit als Doktorandin habe ich mich gefragt, warum so viele Menschen wichtige Daueraufgaben auf zeitlich befristeten Stellen übernehmen müssen, wie z. B. Studienberatung oder die Anerkennung von im Ausland erbrachter Leistungen. Alle paar Jahre eine neue Person einarbeiten zu müssen kostet Zeit, Energie und Geld. Durch die Einarbeitung (die meist ein learning by doing ist) sind viele befristet Angestellte so beschäftigt, dass sowohl für die Forschung als auch für die Vorbereitung der Lehre weniger Zeit bleibt. Gleichzeitig werden viele der sog. „Lehrkräfte für besondere Aufgaben“ oder Lehrbeauftragten, die z. B. die sprachpraktischen Kurse leiten, finanziell schlichtweg ausgebeutet und erfahren nur wenig Anbindung an die Institute, für die sie arbeiten. Eine Entfristung verbessert nicht nur deren Arbeitsbedingungen, sondern auch die Studienbedingungen. Studierende profitieren von verlässlichen Ansprechpersonen, die sie längerfristig während des Studiums begleiten.
Als Post-Doc wünsche ich mir modernere und realistischere Arbeitsmodalitäten in der Wissenschaft: Drittmittelprojekte sind mittlerweile Standard und ehrlich gesagt schätze ich die oft kritisierte (weil befristete) Projektarbeit. Ein überschaubarer zeitlicher Rahmen hilft mir dabei, mich voll und ganz auf ein Thema zu fokussieren und gleichzeitig Forschungsziele effizienter zu planen. Zwei bis drei Jahre sind in der Wissenschaft jedoch ein Wimpernschlag und ziehen nur bürokratische Verlängerungsprozeduren nach sich. Vier- bis fünf-jährige Laufzeiten sind aus meiner Sicht sinnvoller.
Ein letzter Punkt: Was spricht dagegen, Professuren in Doppelspitze mit zwei Personen zu besetzen, die sich die Stelle teilen? So könnten sich verschiedene thematische Schwerpunkte und professionelle Netzwerke in Lehre und Forschung ergänzen und gleichzeitig würde institutionelle und organisatorische Arbeit auf mehrere Schultern verteilt. Davon profitieren alle Beteiligten. Allerdings: Gerade die W-Besoldungsgruppen sind in finanzieller Hinsicht ein Witz (vielleicht daher auch das Kürzel W..?) und bedürfen einer Anpassung, die der Realität der Professoren, die oft extrem weite Wegstrecken in Kauf nehmen oder zwei Haushalte führen, näher ist.“
Dr. Elisa-Maria Hiemer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung in Marburg. Über Ihren Arbeitsalltag als Forscherin bloggt sie auf Instagram als @researching.poland.