Statement Prof. Christoph Kampmann
„1.Das Kernproblem: Grundsätzliches Mißverhältnis der befristeten und unbefristeten Arbeitsverhältnisse im Bereich Forschung und Lehre an den Universitäten
Das zentrale Problem an den deutschen Universitäten ist, dass es ein absolutes Mißverhältnis von befristeten und unbefristeten Arbeitsverhältnissen im Bereich von Forschung und Lehre, insbesondere ab der PostDoc Ebene, gibt. Es gibt viel zu wenig unbefristet (und entsprechend zu viele befristet) Beschäftigte in diesem Bereich. Die großen Drittmittelverbundprojekte, und hier insbesondere die sog, „Exzellenzinitiative“, haben dieses Problem zusätzlich verschärft.
Die unverhältnismäßig hohe Zahl von befristet Beschäftigten nach der Promotion birgt erhebliche persönliche Unsicherheiten für die Betroffenen in diesem Lebensabschnitt. Es bringt dadurch aber auch Nachteile für die Wettbewerbsfähigkeit der Universitäten im Vergleich zu anderen Beschäftigungsbereichen. Viele potentiell für Wissenschaftskarrieren geeignete PostDocs verlassen die Universitäten in Richtung von Institutionen, die unbefristete Arbeitsverhältnisse bieten. Mit diesem Problem war auch ich persönlich in den vergangenen Jahren mehrfach konfrontiert.
Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden. Die darf allerdings nicht darin bestehen, jetzt einfach Qualifikationsstellen planlos in unbefristete Dienstverhältnisse umzuwandeln, weil dies künftigen Generationen Karrierewege verschließen würde. Im Prinzip muss das System der Berufung auf unbefristete Stellen vorverlagert werden. Dazu liegen sinnvolle Vorschläge vor. Allerdings fehlt bei den politisch Verantwortlichen die Neigung, diese Wege zu gehen. Stattdessen werden die Universitäten unter Druck gesetzt, in noch höherem Maße große Drittmittelprojekte (mit natürlich befristeter Laufzeit) einzuwerben, weil sonst die Finanzierung ihrer Kernaufgaben nicht sichergestellt ist. Das Problem des Mißverhältnisses verschärft sich also im Moment eher als dass es Abhilfe gibt.
2. Die paradoxe Situation im Moment: Die Arbeitsgerichte schränken die Möglichkeiten befristeter Arbeitsverhältnisse immer weiter ein, die Universitätsverwaltungen reagieren mit(Über-) Vorsicht und (vor-) schneller Nichtverlängerung von Arbeitsverträgen.
Grundsätzlich haben die Fachbereiche und Fakultäten der Universitäten, die das Tagesgeschäft von Lehre und Forschung tragen, mit zwei widersprüchlichen Entwicklungen zu kämpfen. Auf der einen Seite lassen die Arbeitsgerichte auf der nationalen und der europäischen Ebene deutlich erkennen, dass sie von der verbreiteten Praxis befristeter Arbeitsverhältnisse im wissenschaftlichen Bereich nur sehr wenig halten. In verschiedenen Urteilen wird die Möglichkeit von Kettenverträgen immer weiter eingeschränkt und werden die verschiedenen Gerichtsurteilen befristete in unbefristete Dienstverhältnisse umgewandelt. Die Reaktion der Universitätsverwaltungen und der politisch Verantwortlichen darauf ist aber nun nicht, grundsätzlich das System der befristeten Beschäftigung zu überdenken (wie unter 1. angeregt).
Stattdessen werden die Verträge befristet Beschäftigter nicht verlängert, wenn nur das geringste Risiko einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung besteht. Das bedeutet für die Betroffenen zusätzliche Unsicherheiten. So entsteht die paradoxe Situation, dass die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte, die eigentlich die Praxis der befristeten Beschäftigung einschränken will, in der Praxis wegen der Risikoscheu der Administrationen das Gegenteil bewirkt. Auch die Folgen dieser Entwicklungen habe ich persönlich in der Vergangenheit schmerzhaft erlebt.
3. Zukunftsperspektive: Deutliche Einschränkung der befristeten Beschäftigung im PostDoc Bereich/Ende der bisherigen Praxis
Meine Erwartung ist, dass aufgrund der befristungskritischen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte die bisherige Praxis befristeter Beschäftigung an deutschen Universitäten in absehbarer Zeit an ihr Ende kommen wird. Deutschland wird sich (auch) hier europäischen Standards auf Dauer nicht entziehen können, so sehr die politisch Verantwortlichen davor zur Zeit noch die Augenverschließen. Es entscheidet sich m. E. jetzt, ob das bisherige System dann planlos zusammenbricht, was ich wegen der unter (1) genannten Punkte für nicht sehr günstig hielte, oderob nun der notwendige Wandel sinnvoll gestaltet werden kann.“
Die Stellungnahme im Original: PDF